


Die
Schöpfung
der Superkuh
Kühe, die beim Wiederkäuen weniger Treibhausgase ausstoßen, kaum noch Antibiotika benötigen, mit weniger Wasser auskommen – und trotzdem mehr, womöglich auch gesündere Milch liefern. Das sogenannte
Smart Breeding, die durch Genanalyse unterstützte Zucht, macht es möglich. Wie die Rinderindustrie sich neu erfindet und warum die Tiere bald auch wieder durch unsere Wälder ziehen werden.
Super-Resistent
Klimafreundlich
Auswilderbar
Super-Milch
Super-Gene
Super-Fleisch
Big-Data
DIE KUH, DIE DER ERDERWÄRMUNG UND KRANKHEITEN TROTZT
WAS GLAUBEN SIE?
Wie viele Badewannen voll Wasser braucht es umgerechnet, um einen Hamburger herzustellen? (Badewannen a 150 Liter)
4
4
11
11
17
17
Viel zu wenig! Rund 2550 Liter Wasser sind notwendig, etwa in Form von Trinkwasser, Wasser für die Futterpflanzen und Wasser zum Reinigen.
Viel zu wenig! Rund 2550 Liter Wasser sind notwendig, etwa in Form von Trinkwasser, Wasser für die Futterpflanzen und Wasser zum Reinigen.
Richtig! Rund 2550 Liter Wasser sind notwendig, etwa in Form von Trinkwasser, Wasser für die Futterpflanzen und Wasser zum Reinigen.
Deutschen Bauern geht es bei der durch Genanalyse unterstützten Zucht sehr stark um die Gesundheit ihrer Herden. Ein gesundes Tier senkt die Kosten – für Produktionsausfälle bei wundem Euter etwa, für Tierarzt
und Medizin. Auch deshalb haben Bauern ihre Tiere massenhaft mit Antibiotika behandelt und so dazu beigetragen, dass Krankheitserreger entstanden sind, gegen die kein Medikament mehr hilft, auch beim Menschen nicht.
Die Zucht gesünderer Rinder
würde, so die Hoffnung, eines Tages den Antibiotikaeinsatz stark reduzieren.
Und Superkühe ließen sich immer noch weiter optimieren: An der TU München hat das Team von Tierzucht-Professor Ruedi Fries ein Gen aufgespürt, das für eine dunklere Fellfärbung der Haare an den Augen verantwortlich ist. Eine Art Sonnenbrille, die vor krebserregenden UV-Strahlen schützt. An der University of Florida züchten Wissenschaftler zudem Rinder, die extremer Hitze standhalten und trotzdem bestes Fleisch liefern sollen – klima-smarte Kühe. Als Genbasis kreuzen sie das in den Tropen beheimatete Zebu-Rind ein.
Und Superkühe ließen sich immer noch weiter optimieren: An der TU München hat das Team von Tierzucht-Professor Ruedi Fries ein Gen aufgespürt, das für eine dunklere Fellfärbung der Haare an den Augen verantwortlich ist. Eine Art Sonnenbrille, die vor krebserregenden UV-Strahlen schützt. An der University of Florida züchten Wissenschaftler zudem Rinder, die extremer Hitze standhalten und trotzdem bestes Fleisch liefern sollen – klima-smarte Kühe. Als Genbasis kreuzen sie das in den Tropen beheimatete Zebu-Rind ein.
Während einer Hitzewelle im Juni starben allein im kalifornischen Fresno County zwischen 4000 und 6000 Rinder. Die Behörden riefen den Notstand aus. Auch führen Experten die seit Jahren anhaltende Wasserknappheit in Südkalifornien auf den Wasserbedarf der Millionen Zuchtrinder im Bundesstaat zurück. Klima-smarte
Rinder würden solche Probleme zumindest reduzieren.
Gefördert wird die Forschung von der US-Regierung. Die Nahrungsversorgung gilt in den USA als Thema der nationalen Sicherheit. Die Regierung George W. Bush hatte
die Rinderzucht nach dem 11. September 2001 sogar unter den Schutz des Patriot Acts gestellt, dem damals geschaffenen Antiterrorgesetz.
Widerstandsfähige Rinder
Sie sollen mit weniger Wasser auskommen, der Hitze trotzen und trotzdem gutes Fleisch und gute Milch liefern – sogenannte klima-smarte Kühe. Rund um die Welt arbeiten Wissenschaftler daran.
DIE KUH, DIE BESSERES FLEISCH LIEFERT
WAS GLAUBEN SIE?
In den USA isst jeder Bürger pro Jahr im Schnitt 37 Kilogramm Rindfleisch. Wie viel sind es in der EU?
16 kg
16 kg
21 kg
21 kg
33 kg
33 kg
Richtig! Der Rindfleischverbrauch in der EU ist deutlich geringer. Doch gegenüber den Argentiniern essen selbst die US-Bürger wenig. Die Südamerikaner schaffen es auf 60 Kilogramm pro Kopf.
Falsch! Der Rindfleischverbrauch in der EU ist deutlich geringer. Doch gegenüber den Argentiniern essen selbst die US-Bürger wenig. Die Südamerikaner schaffen es auf 60 Kilogramm pro Kopf.
Falsch! Der Rindfleischverbrauch in der EU ist deutlich geringer. Doch gegenüber den Argentiniern essen selbst die US-Bürger wenig. Die Südamerikaner schaffen es auf 60 Kilogramm pro Kopf.
Die Welternährungsorganisation schätzt, dass die Nachfrage nach Rindfleisch zwischen 2015 und 2030 um mehr als zehn Prozent steigen wird. Besonders rasant wächst der Appetit in aufstrebenden Ländern wie China. Die
Volksrepublik musste gerade erst die Importbeschänkungen aus Europa und den USA lockern, weil sie selbst die Nachfrage nicht mehr decken konnte.
Die Züchter setzen auf Smart Breeding, um nicht nur mehr, sondern auch besseres Fleisch aus den Rindern zu holen: So kreuzen Bauern gezielt Tiere mit Erbmaterial ein, das die Menge ungesättigter Fettsäuren im Fleisch erhöhen soll. Diese machen aus einem Steak ein besonders herzhaftes und aromatisches Stück Fleisch. Eines, das als gesünder gilt. Und das sich entsprechend teurer verkaufen lässt.
Die Züchter setzen auf Smart Breeding, um nicht nur mehr, sondern auch besseres Fleisch aus den Rindern zu holen: So kreuzen Bauern gezielt Tiere mit Erbmaterial ein, das die Menge ungesättigter Fettsäuren im Fleisch erhöhen soll. Diese machen aus einem Steak ein besonders herzhaftes und aromatisches Stück Fleisch. Eines, das als gesünder gilt. Und das sich entsprechend teurer verkaufen lässt.
Bessere Steaks
Menge und Qualität des Rindfleisches zu steigern, ist ein weiteres großes Ziel, das die Branche mit der durch Genanalyse unterstützten Zucht vorantreibt.
DIE KUH, DIE WIEDER DURCH UNSERE WÄLDER STREIFT
WAS GLAUBEN SIE?
Wie viel kostet heutzutage ein Gentest für deutsche Rinder
19,50 €
19,50 €
79,50 €
79,50 €
129,50 €
129,50 €
Richtig: Tatsächlich ist das heute schon so billig, auch wenn man für so wenig Geld nicht das gesamte Genom analysiert bekommt, sondern nur bestimmte Abschnitte.
Falsch: Tatsächlich ist es heute schon viel billiger, auch wenn man für so wenig Geld nicht das gesamte Genom analysiert bekommt, sondern nur bestimmte Abschnitte.
Falsch: Tatsächlich ist es heute schon viel billiger, auch wenn man für so wenig Geld nicht das gesamte Genom analysiert bekommt, sondern nur bestimmte Abschnitte.
Die Grasweiden im Süden der niederländischen Stadt Nimwegen erinnern an eine Savannen-Landschaft. Es gibt Wasserlöcher, aus dem Boden schießen kleine Büsche. Unter ein paar Bäumen grast eine Herde Rinder.
Auf den ersten Blick sieht selbst der Laie, dass dies keine gewöhnlichen Rinder sind. Fast schon elegant gleiten die riesigen fleckenlosen Tiere durch das kniehohe Gras. Sie haben muskulöse Schultern, gewaltige Hörner,
ein schlankes Hinterteil. Ganz anders als typische Milchkühe auf dem Bauernhof, bei denen die Hörner für die Stallhaltung abgesägt oder – um Tierarztkosten zu sparen – weggezüchtet werden.
Genetisch sind die Rinder in Holland nur noch zwei bis drei Kreuzungsgenerationen davon entfernt, sich nahezu nicht mehr vom Auerochsen zu unterscheiden, dem europäischen Urrind. Die letzten Exemplare starben 1627.
Bis 2025 wollen Ökologen und Wissenschaftler von der Taurus Stiftung, der Universität Wageningen sowie vom Projekt Rewilding Europe mittels genanalyseunterstützter Zucht Rinder schaffen, die sich wieder auf unserem Kontinent auswildern lassen. „Immer mehr Menschen ziehen vom Lande in die Stadt. Jedes Jahr verwildern so eine Million Hektar Landwirtschaftsfläche in Europa. Hier werden unsere Rinder für das natürliche Gleichgewicht sorgen“, sagt Wouter Helmer, Chefauswilderer bei Rewilding Europe. Vor der Einführung des Ackerbaus durch den Menschen wurden solche Flächen vom Auerochsen begrast, dessen Herden quer durch Europa zogen.
Das Gen des Auerochsen dient dem Team als Blaupause. Biologen unter anderem am University College in Dublin hatten es anhand von Knochenfunden entschlüsselt. Die Taurus-Stiftung kaufte für ihr Vorhaben ganze Herden primitiver Rinderrassen auf. Deren Gencode ähnelt dem der Ur-Rinder viel stärker als jener von modernen Milchkühen. Wie sie sich verhalten, wie sie leben, da helfen Beschreibungen aus Jahrhunderte alten Schriften. In Süditalien rettete die Stiftung sogar eine der letzten Herden Maremmana-Primitivo-Rinder vor dem Schlachter. Der Eigentümer konnte sich die Haltung nicht mehr leisten.
Inzwischen grast schon die dritte Kreuzungsgeneration auf den Wiesen bei Nimwegen. „Fünf bis sechs Generationen seien notwendig, bis die Tiere reif für die Auswilderung sind“, sagt Taurus-Gründer Ronald Goderie. Er erzählt von Rentnern, die mit E-Bikes gemütlich durch die Herden durchradeln. Die Tiere seien extrem friedlich, so wie der ursprüngliche Auerochse. Auch für die Friedlichkeit gebe es genetische Marker, die allerdings in den nächsten Jahren noch stärker erforscht werden müssten, sagt er. Trotzdem züchte Goderie gezielt auf diese Eigenschaft.
Genetisch sind die Rinder in Holland nur noch zwei bis drei Kreuzungsgenerationen davon entfernt, sich nahezu nicht mehr vom Auerochsen zu unterscheiden, dem europäischen Urrind. Die letzten Exemplare starben 1627.
Bis 2025 wollen Ökologen und Wissenschaftler von der Taurus Stiftung, der Universität Wageningen sowie vom Projekt Rewilding Europe mittels genanalyseunterstützter Zucht Rinder schaffen, die sich wieder auf unserem Kontinent auswildern lassen. „Immer mehr Menschen ziehen vom Lande in die Stadt. Jedes Jahr verwildern so eine Million Hektar Landwirtschaftsfläche in Europa. Hier werden unsere Rinder für das natürliche Gleichgewicht sorgen“, sagt Wouter Helmer, Chefauswilderer bei Rewilding Europe. Vor der Einführung des Ackerbaus durch den Menschen wurden solche Flächen vom Auerochsen begrast, dessen Herden quer durch Europa zogen.
Das Gen des Auerochsen dient dem Team als Blaupause. Biologen unter anderem am University College in Dublin hatten es anhand von Knochenfunden entschlüsselt. Die Taurus-Stiftung kaufte für ihr Vorhaben ganze Herden primitiver Rinderrassen auf. Deren Gencode ähnelt dem der Ur-Rinder viel stärker als jener von modernen Milchkühen. Wie sie sich verhalten, wie sie leben, da helfen Beschreibungen aus Jahrhunderte alten Schriften. In Süditalien rettete die Stiftung sogar eine der letzten Herden Maremmana-Primitivo-Rinder vor dem Schlachter. Der Eigentümer konnte sich die Haltung nicht mehr leisten.
Inzwischen grast schon die dritte Kreuzungsgeneration auf den Wiesen bei Nimwegen. „Fünf bis sechs Generationen seien notwendig, bis die Tiere reif für die Auswilderung sind“, sagt Taurus-Gründer Ronald Goderie. Er erzählt von Rentnern, die mit E-Bikes gemütlich durch die Herden durchradeln. Die Tiere seien extrem friedlich, so wie der ursprüngliche Auerochse. Auch für die Friedlichkeit gebe es genetische Marker, die allerdings in den nächsten Jahren noch stärker erforscht werden müssten, sagt er. Trotzdem züchte Goderie gezielt auf diese Eigenschaft.
DIE KUH, DIE DAS KLIMA RETTET
WAS GLAUBEN SIE?
Wie viel Methan stößt eine Kuh pro Tag aus? Beim Menschen sind es 0,6 Liter.
100 Liter
100 Liter
300 Liter
300 Liter
600 Liter
600 Liter
Falsch! Es ist die sechsfache Menge, die eine Kuh im Schnitt produziert. Fast außschließlich durch Aufstoßen über das Maul.
Falsch! Es ist die doppelte Menge, die eine Kuh im Schnitt produziert. Fast außschließlich durch Aufstoßen über das Maul.
Richtig! Es ist eine enorme Menge Methan, die eine Kuh im Schnitt produziert. Dies geschieht fast außschließlich durch Aufstoßen.
Inzwischen können Züchter wie Masterrind im niedersächsischen Verden durch gezielte Zucht binnen Monaten auf die Wünsche am Markt reagieren. Und auf politischen Druck. So hatte die scheidende Bundesumweltministerin
Barbara Hendricks (SPD) etwa geplant, die rund sechs Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen für Deutschland künftig bevorzugt an Agrarunternehmen und Bauern zu überweisen, die Klima- und Naturschutz vorantreiben. Knüpft
ihr Nachfolger an solche Forderungen an, könnte dies der durch Genanalyse unterstützten Zucht einen weiteren Schub geben.
Denn Phil Garnsworthy, Professor für Milchwissenschaften an der Universität von Nottingham, arbeitet an einer Kuh, deren Milch Bauern als klimafreundlich vermarkten können. Das von Rindern massenhaft ausgestoßene Treibhausgas Methan gilt als 72 Mal zerstörerischer als Kohlenstoffdioxid: Weltbank-Wissenschaftlern zufolge schädigen die 1,5 Milliarden Rinder weltweit das Klima in einem ähnlichen Maße wie alle Autos, Lastwagen, Schiffe und Flugzeuge zusammen. Weil sich Methan in der Atmosphäre aber auch sehr viel schneller wieder abbaut, ließe sich der Klimawandel womöglich auch besser abmildern, wenn es gelingt, den Methanausstoß in der Landwirtschaft zu senken.
Garnsworthy glaubt, dass die genetische Selektion von Rindern das Problem lösen kann: „Bei zwei Kühen, die das gleiche Futter bekommen, kann der Methanausstoß bei einer Kuh zwei- bis dreimal so hoch sein wie bei der anderen“, erzählt der Brite, der aktuell 1000 Kühe in ganz Europa überwacht und dabei beobachtet, was sie fressen und wie viel Treibhausgase sie ausstoßen. Ende des Jahres plant er, den Gencode zu publizieren, der für einen niedrigen Methanausstoß verantwortlich ist. Dann können auch deutsche Züchter gezielt Bullen und Kühe mit dieser Veranlagung kreuzen. Um Kühe auf einen besseren Klimaschutz zu trimmen, kann zudem die Menge an Milch und Fleisch gesteigert werden, die jedes Rind erzeugt.
Denn Phil Garnsworthy, Professor für Milchwissenschaften an der Universität von Nottingham, arbeitet an einer Kuh, deren Milch Bauern als klimafreundlich vermarkten können. Das von Rindern massenhaft ausgestoßene Treibhausgas Methan gilt als 72 Mal zerstörerischer als Kohlenstoffdioxid: Weltbank-Wissenschaftlern zufolge schädigen die 1,5 Milliarden Rinder weltweit das Klima in einem ähnlichen Maße wie alle Autos, Lastwagen, Schiffe und Flugzeuge zusammen. Weil sich Methan in der Atmosphäre aber auch sehr viel schneller wieder abbaut, ließe sich der Klimawandel womöglich auch besser abmildern, wenn es gelingt, den Methanausstoß in der Landwirtschaft zu senken.
Garnsworthy glaubt, dass die genetische Selektion von Rindern das Problem lösen kann: „Bei zwei Kühen, die das gleiche Futter bekommen, kann der Methanausstoß bei einer Kuh zwei- bis dreimal so hoch sein wie bei der anderen“, erzählt der Brite, der aktuell 1000 Kühe in ganz Europa überwacht und dabei beobachtet, was sie fressen und wie viel Treibhausgase sie ausstoßen. Ende des Jahres plant er, den Gencode zu publizieren, der für einen niedrigen Methanausstoß verantwortlich ist. Dann können auch deutsche Züchter gezielt Bullen und Kühe mit dieser Veranlagung kreuzen. Um Kühe auf einen besseren Klimaschutz zu trimmen, kann zudem die Menge an Milch und Fleisch gesteigert werden, die jedes Rind erzeugt.
Züchten für die Umwelt
Besitzt der Zuchtbulle Jerrylee das Klima-Gen? Britische Wissenschaftler suchen zurzeit nach jenem Genmuster, das für einen geringeren Treibhausgasausstoß verantwortlich ist.
DIE KUH, DIE BESSERE MILCH GIBT
WAS GLAUBEN SIE?
Wie stark ist die Milchmenge, die eine Kuh am Tag produziert, in den letzten 25 Jahren gestiegen?
21%
21%
36%
36%
45%
45%
Falsch! Die Milchmenge ist besonders durch Futteroptimierung, aber auch durch Zucht um etwas mehr als ein Drittel gestiegen.
Richtig! Die Milchmenge ist besonders durch Futteroptimierung, aber auch durch Zucht um etwas mehr als ein Drittel gestiegen.
Falsch! Die Milchmenge ist besonders durch Futteroptimierung, aber auch durch Zucht um etwas mehr als ein Drittel gestiegen.
Jedes Jahr wird laut Welternährungsorganisation FAO weltweit Milch im Wert von mehr als 300 Milliarden Dollar verkauft. Allein zwischen 2005 und 2015 stieg der Pro-Kopf-Verbrauch um zehn Prozent, bis 2025 prognostizieren die Experten
einen weiteren Anstieg von 13 Prozent. Die Milch wird nicht nur getrunken, sondern auch weiterverarbeitet: Züchter wie Masterrind im niedersächsischen Verden schaffen sogar auf Käse- und Butterproduktion spezialisierte Kühe. Mit präziser Genanalyse treiben sie den Fettanteil in der Milch gezielt nach oben. In der Käserei fallen dadurch mehr Butter und Sahne als Nebenprodukt ab. Zugleich ist für die Käseherstellung eine spezielle Eiweißzusammensetzung der Milch wichtig. Je mehr sogenanntes Kasein-Eiweiß in
der Milch steckt, umso mehr Käse lässt sich daraus produzieren. Landwirt Bernd Barfuß, der im sächsischen Groitzsch rund 1000 Milchkühe der Rasse Holstein hält, sagt: „Die Qualität unserer
Herde ist durch die Genanalyse erheblich gestiegen.“ Die Tiere seien gesünder und lieferten mehr und bessere Milch. Es sei erstaunlich, wie schnell sich das Geschäft optimieren lasse.
Von einer hölzernen Aussichtsplattform aus können Kunden, die zu Masterrind kommen, weil sie an wertvollem Sperma interessiert sind, die Bullen im Stall begutachten. Ein Schild bewirbt beispielsweise beim Zuchtbullen Jerrylee dessen innere Qualitäten. Das Tier sei genetisch so veranlagt, dass von ihm gezeugte Kühe nur sogenannte A2-Milch produzieren, eine Milch, bei der Menschen, wenn sie diese verdauen, kein Morphin produzieren, das möglicherweise gesundheitsschädigend ist. Diese Eigenschaft bringen nur rund 20 Prozent der Zuchtbullen in Deutschland mit.
Milch, die es in den deutschen Läden gibt, besteht vor allem aus sogenannter A1-Milch. Der neuseeländische Wissenschaftler Corran McLachlan hatte in den Neunzigerjahren herausgefunden, dass der menschliche Körper beim Verdauen dieser A1-Milch ein Morphin namens BCM7 produziert. Und er fand Hinweise darauf, dass die Droge Geistes- und Herz-Kreislauf-Krankheiten auslösen könnte. Bis heute ist unklar, ob das Morphin in so geringen Dosen wirklich schädlich für Menschen ist. Es gibt zu wenig unabhängige Untersuchungen. McLachlan machte dennoch daraus ein Geschäft. Denn er fand bei der Erforschung der Milch mehr heraus: Einige Kühe sind genetisch so veranlagt, dass sie A2-Milch produzieren. McLachlan gründete die A2 Milk Company (A2MC), die sich darauf spezialisierte, diese Art Milch zu vertreiben.
Wenn Menschen sich einreden lassen, dass Lebensmittel mit weniger Weizen gesünder sind, dann lassen sie sich auch einreden, dass es gesündere Milch gibt. In Australien ist schon mehr als jede zehnte Milchpackung, die dort über die Ladentische geht, eine A2-Milch. In Kalifornien verkauft sie sich besser als Biomilch.
Von einer hölzernen Aussichtsplattform aus können Kunden, die zu Masterrind kommen, weil sie an wertvollem Sperma interessiert sind, die Bullen im Stall begutachten. Ein Schild bewirbt beispielsweise beim Zuchtbullen Jerrylee dessen innere Qualitäten. Das Tier sei genetisch so veranlagt, dass von ihm gezeugte Kühe nur sogenannte A2-Milch produzieren, eine Milch, bei der Menschen, wenn sie diese verdauen, kein Morphin produzieren, das möglicherweise gesundheitsschädigend ist. Diese Eigenschaft bringen nur rund 20 Prozent der Zuchtbullen in Deutschland mit.
Milch, die es in den deutschen Läden gibt, besteht vor allem aus sogenannter A1-Milch. Der neuseeländische Wissenschaftler Corran McLachlan hatte in den Neunzigerjahren herausgefunden, dass der menschliche Körper beim Verdauen dieser A1-Milch ein Morphin namens BCM7 produziert. Und er fand Hinweise darauf, dass die Droge Geistes- und Herz-Kreislauf-Krankheiten auslösen könnte. Bis heute ist unklar, ob das Morphin in so geringen Dosen wirklich schädlich für Menschen ist. Es gibt zu wenig unabhängige Untersuchungen. McLachlan machte dennoch daraus ein Geschäft. Denn er fand bei der Erforschung der Milch mehr heraus: Einige Kühe sind genetisch so veranlagt, dass sie A2-Milch produzieren. McLachlan gründete die A2 Milk Company (A2MC), die sich darauf spezialisierte, diese Art Milch zu vertreiben.
Wenn Menschen sich einreden lassen, dass Lebensmittel mit weniger Weizen gesünder sind, dann lassen sie sich auch einreden, dass es gesündere Milch gibt. In Australien ist schon mehr als jede zehnte Milchpackung, die dort über die Ladentische geht, eine A2-Milch. In Kalifornien verkauft sie sich besser als Biomilch.
Teure Ware
In riesigen Kühltanks lagern die Sperma-Portionen von Deutschlands wertvollsten Zuchtrindern. Sie zeichnet etwa aus, dass ihre Nachkommen überdurchschnittlich viel Milch produzieren.
DIE KUH ALS DATENQUELLE
WAS GLAUBEN SIE?
Insgesamt gibt es etwa zwölf Millionen Rinder in Deutschland. Von wie vielen sind die Gendaten erfasst?
30.000
30.000
300.000
300.000
3.000.000
3.000.000
Falsch! Es sind deutlich mehr.
Richtig! Und die Zahl steigt rasant weiter.
Falsch! Ganz so viel sind es noch nicht. Aber lange wird es nicht mehr dauern, bis auch diese Marke geknackt ist.
Um noch viel mehr aus den Erbinformationen der Rinder herauslesen zu können, bauen Züchter, aber auch Konzerne wie das weltgrößte Tierarzneiunternehmen Zoetis große Datenbanken auf, in denen sie neben den Erbgutinformationen
der einzelnen Tiere auch Informationen wie den Fett- und Eiweißanteil in deren Milch oder auch Gesundheitsdaten katalogisieren. Mit Sensoren am Hals der Kühe, die an Fitnessarmbänder von Hobbysportlern erinnern,
liefern einige Bauern inzwischen sogar das Bewegungs- und Wiederkäuverhalten der Kühe an die Rechenzentren. Josef Pott, der als Chef von Masterrind in Verden über 400 wertvolle Samenspender wacht, sagt:
Über kein anderes Nutztier gebe es heute weltweit mehr Daten als über das Rind.
Viele dieser Daten lagern auf Servern von der Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung. Im Keller eines schmucklosen Bürogebäude, hinter einer gesicherten Stahltür: Der Dienstleister analysiert dort die Gendaten von mehr als 300.000 der insgesamt zwölf Millionen deutschen Rinder. Die brummende Klimaanlage, die blinkenden Lämpchen der Server, nichts erinnert hier auch nur ansatzweise an Landwirtschaft oder Bauernhof.
„Jedes halbe Jahr kommen ganz neue Arten von Informationen hinzu“, erzählt Stefan Rensing, zuständig für Biometrie und Zuchtwertschätzung bei der Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung. Moderne Melkroboter registrieren, wie sich die Milch einer Kuh zusammensetzt. Bewegungstracker überwachen, wo und wie oft die Kuh frisst. All diese Daten landen auf den Servern. Je mehr Informationen sich hier sammeln, desto bessere Schlüsse lassen sich aus ihnen ziehen – zur Züchtung der Superkuh.
Viele dieser Daten lagern auf Servern von der Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung. Im Keller eines schmucklosen Bürogebäude, hinter einer gesicherten Stahltür: Der Dienstleister analysiert dort die Gendaten von mehr als 300.000 der insgesamt zwölf Millionen deutschen Rinder. Die brummende Klimaanlage, die blinkenden Lämpchen der Server, nichts erinnert hier auch nur ansatzweise an Landwirtschaft oder Bauernhof.
„Jedes halbe Jahr kommen ganz neue Arten von Informationen hinzu“, erzählt Stefan Rensing, zuständig für Biometrie und Zuchtwertschätzung bei der Vereinigten Informationssysteme Tierhaltung. Moderne Melkroboter registrieren, wie sich die Milch einer Kuh zusammensetzt. Bewegungstracker überwachen, wo und wie oft die Kuh frisst. All diese Daten landen auf den Servern. Je mehr Informationen sich hier sammeln, desto bessere Schlüsse lassen sich aus ihnen ziehen – zur Züchtung der Superkuh.
DAS RIND, DAS SUPERGENE BESITZT
WAS GLAUBEN SIE?
Wie viel Euro ist eine Ladung Sperma von Jerrylee wert?
1000 €
1000 €
10.000 €
10.000 €
100.000 €
100.000 €
Falsch! Tatsächlich ist es deutlich mehr. Ganz ausgewählte Spitzenbullen bringen es sogar auf bis zu 100.000 je Ladung und erwirtschaften so im Jahr hohe Millionenumsätze.
Richtig! Ganz ausgewählte Spitzenbullen bringen es sogar auf bis zu 100.000 je Ladung und erwirtschaften so im Jahr hohe Millionenumsätze.
Falsch! Bei Jerrylee ist es nicht ganz so viel, auch wenn ganz ausgewählte Spitzenbullen es sogar auf bis zu 100.000 je Ladung schaffen und so im Jahr hohe Millionenumsätze erwirtschaften.
Das sogenannte Smart Breeding, die durch Genanalyse unterstützte Zucht, macht es möglich, Kühe mit exzellentem Erbgut zu schaffen. Noch vor sechs Jahren gab es hierzulande bei Rindern praktisch keine Gentests, sagt Ruedi
Fries, Professor für Tierzucht an der TU München. Heute werde in Europa jedes Jahr das Erbmaterial von mehreren Hunderttausend Tieren analysiert. So können Züchter und Wissenschaftler die richtigen Kühe
mit den richtigen Bullen paaren. Schon nach der Geburt des Kalbes wissen sie sicher, ob das Tier viel oder wenig Milch liefern wird. Gentests dafür gibt es heute für ein paar Euro.
Vor den massenhaften Gentests und ihrer präzisen Analyse war die Zucht von Milchkühen ein Geduldsspiel. Mit
dem Sperma eines Jungbullen zeugten die Züchter 1000 Tiere. Danach mussten sie fünf Jahre warten, bis die erwachsen waren. Erst dann konnten sie mit Sicherheit wissen, wie viel Milch die weiblichen Tiere produzierten. Und
erst dann ließ sich das Sperma des männlichen Tiers im besten Fall zu einem guten Preis verkaufen. Um zu erfahren, wie gesund der Nachwuchs im Laufe seiner Lebenszeit ist, gingen weitere Jahre ins Land. Höherwertige
Rinderrassen zu schaffen dauerte so oft Jahrzehnte.Bei Zuchtbulle Jerrylee, der bei Deutschlands größtem Züchter Masterrind im Stall steht, weiß man dank Genanalyse seit seiner Geschlechtsreife, die nach einem Lebensjahr erreicht ist, dass sein Sperma wertvoll ist. An zwei Tagen in der Woche führen Pfleger den Bullen aus seinem Gatter. Dann muss er einmal vormittags und einmal nachmittags „springen“, wie der Fachmann sagt.
Das Reagenzglas, gefüllt mit Jerrylees Samen, ist viel Geld wert. Um die 500 Milchkühe lassen sich damit zeugen. Und sie alle, so das Versprechen, das Masterrind mit diesem Sperma verkauft, erben das, was Jerrylee zu einem besonderen Bullen macht: Von ihm gezeugte Kühe produzieren besonders viel Milch und sind besonders robust.
Sperma ist nicht gleich Sperma
Dank der durch Genanalyse unterstützten Zucht werden Zuchtbullen heute so rasant besser, dass sie schon nach einigen Jahren ausgemustert werden müssen. Die nächste Generation hat einfach bessere genetische Eigenschaften.
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Text, Produktion: Thomas Stölzel; Video: Anna Tabea Hönscheid; Fotos: Michael Löwa; Illustration: Leander Aßmann; Produziert mit Storyflow
22. November 2017
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